Die Bürgerenergie-Bewegung 
ist eine der wichtigsten Hoffnungsquellen dieser Zeit.
Kai Hock und Felix Schäfer 
Gründer und Vorstände der Bürgerwerke eG
Die Bürgerwerke-Vorstände Kai Hock und Felix Schäfer.

Die Bürgerwerke-Vorstände Kai Hock und Felix Schäfer.

Ein Jahrzehnt voller Bürgerenergie 

Von der Vision zum größten Zusammenschluss von Energiegenossenschaften

Die Bürgerwerke feiern ihr 10-jähriges Jubiläum! Was für ein besonderer Grund, auf das Erreichte zurückzublicken und über die Wirkung zu sprechen, die wir bisher entfalten konnten. Dennoch beginnt dieses Vorwort nicht mit den vielen guten Nachrichten aus unserer Gemeinschaft, sondern mit der Lage, in der wir uns befinden.

Schauen wir in die aktuellen Nachrichten, fällt es schwer, in Feierlaune zu kommen. Wir erleben Notlage um Notlage, sich überschneidend, einander bedingend. „Krisenmodus“ ist das Wort des Jahres 2023. Überall sind Menschen frustriert, wie wenig politisch zu passieren scheint. Und während das Weltklima heißer und heißer wird, wird unser Diskussionsklima rauer, verhärteter, unnachgiebiger. „Was für eine schlimme Zeit, um am Leben zu sein“, lässt der Sänger George Ezra einen älteren Mann in einem seiner berühmtesten Lieder singen.

Tatsächlich ist die globale Lage eine noch nie dagewesene. Gerade für die jüngeren Generationen ist die Aussicht auf die Zukunft beängstigend. Der Vertrauensverlust in die Gemeinschaft scheint groß, und die Grundpfeiler unseres Zusammenlebens – Wissenschaft, gemeinsame Verantwortung, Demokratie – verlieren offenbar immer mehr an Glaubwürdigkeit. Die Konsequenzen aus diesem Verlust: Viele Menschen ziehen sich zurück und nehmen die Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Mitgestaltung nicht mehr wahr. Extreme Meinungen nehmen zu, weil offener Austausch fehlt. Beides sind sehr beunruhigende Bewegungen.

Was können wir tun?

Die Voraussetzung für Vertrauen in die Gemeinschaft und Glaube an eine lebenswerte Zukunft ist Hoffnung. Vielen ist die Hoffnung in den vergangenen Jahren verloren gegangen. Es gilt, die Menschen in den Dialog zurückzuholen, sie mitgestalten zu lassen, ihnen Wege zu zeigen, wie sie das bestehende System verändern können. Es überrascht unsere Leser:innen sicher nicht, wenn wir sagen: Für uns ist die Bürgerenergie-Bewegung eine der wichtigsten Hoffnungsquellen dieser Zeit.

Hoffnung entsteht, wenn wir eine Lösung für ein gesellschaftliches Problem sehen und gemeinsam handeln. Hoffnung gilt als die Grundbedingung für einen Weg aus Krisen. Sie lässt sich schlechter messen als die Menge der zugebauten PV-Anlagen oder die wachsende Zahl an Genossenschaftsmitgliedern. Und doch ist genau sie der Antrieb für unsere Bürgerwerke-Gemeinschaft und für die Wirkung, die wir entfalten.

Am wichtigsten ist also: Hoffnung stärken! „Vielleicht gibt es schönere Zeiten, aber diese ist die unsere“, sagte der Philosoph Jean-Paul Sartre. Nutzen wir unsere Möglichkeiten!

Die Bürgerenergie-Bewegung als Akteurin der Hoffnung

Am 13.12.13 trafen sich neun Energiegenossenschaften in Heidelberg, um die Bürgerwerke zu gründen. Unsere Idee: Eine Struktur aufzubauen, mit der wir gemeinsam Aufgaben lösen können, die eine einzelne Energiegenossenschaft nicht bewältigen kann. Für unsere erste Aufgabe – den eigenen Strom an Kund:innen liefern– gab es weder ein Büro noch eine Internetseite. Dafür hatten wir engagierte Menschen, die an unsere Vision geglaubt haben.

Heute, zehn Jahre nach der Gründung, haben wir unser Gründungsziel erreicht: Wir sind der größte Zusammenschluss von Energiebürger:innen in über 125 Energiegenossenschaften! Mit inzwischen mehr als 45 hauptamtlichen Mitarbeiter:innen haben wir neben der Energieversorgung weitere Aufgaben für die Mitgliedsgenossenschaften gebündelt, um gemeinsam noch mehr Erneuerbare-Energien-Anlagen zu bauen. Und trotz vieler Veränderungen in den vergangenen bewegten Jahren sind die Bürgerwerke heute im Kern immer noch das, was unsere Ursprungsidee war. Ganz nach dem berühmten Satz von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der zum Motto so vieler Genossenschaften geworden ist: Was einer alleine nicht schafft, das vermögen viele. Und während wir unseren Kern schützen, arbeiten wir an den Rändern unserer Gemeinschaft disruptiv: Wir üben Druck auf das System aus und setzen Veränderungen durch. Wir bohren dicke Bretter und zeigen, was alles machbar ist.

Der Anteil Erneuerbarer Energien am deutschen Stromverbrauch lag im Jahr 2023 bei über 50 %. Selbstverständlich kommt nicht alles davon aus Bürgerenergie-Anlagen. Aber es sind unsere Genossenschaften, die die Akzeptanz der Energiewende steigern, die mit ihren Anlagen Machbarkeitsstudien vorlegen, die sich politisch für bessere Rahmenbedingungen engagieren und die durch dezentrale Stromerzeugung ein echtes Gegengewicht zu den großen Stromkonzernen schaffen. Es sind Menschen wie Kristina Wittig, die durch ihre Region reisen, um andere für Bürgerenergie zu begeistern. Wie Nicolai Ferchl, der gegen Widerstände und Bürokratie den Energiewende-Unternehmen im Raum Heidelberg ein neues Zuhause gibt. Wie Fabian Stoffel, der es Menschen ermöglicht, gemeinschaftlich PV-Freiflächenanlagen zu bauen und den erzeugten Strom gemeinsam zu nutzen. Die gesamte Bürgerenergie-Bewegung hat an der Energiewende einen Anteil, der weit über die eigene Stromerzeugung hinausgeht.

Für uns als Bürgerwerke-Gemeinschaft gilt: Ohne das Engagement tausender Menschen in den letzten zehn Jahren wäre dieser Beitrag unmöglich gewesen: Vorstände, Aufsichtsräte und Ehrenamtliche vor Ort, die Menschen von den Bürgerwerken begeistert haben. Treue Kund:innen, die uns mit jeder Kilowattstunde das Zeichen geben, dass Bürgerenergie gebraucht wird. Investor:innen, die uns finanzierten, selbst als das Risiko größer war. Mitarbeitende, die mit Engagement, Kreativität und Verantwortung jeden Tag dafür gesorgt haben, dass die Bürgerwerke ihrer Vision ein Stück näher kommen. Dieser Erfolg ist eine Gemeinschaftsleistung. Ein großartiges Beispiel dafür, wie unternehmerisches Wirtschaften sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltig gelingen kann. Sie, die Menschen, die uns auf diesem Weg begleiten und unterstützen, lassen uns hoffen.

„Was für eine schlimme Zeit, um am Leben zu sein“, lässt der Sänger George Ezra einen älteren Mann in einem seiner berühmtesten Lieder singen. Das mag uns gelegentlich so scheinen. Letztlich ist aber entscheidend, wie wir von dort, wo wir stehen, weitermachen. Denn auch das zitierte Lied geht weiter. So folgt schon bald die Zeile:

„Hallo, ihr strahlenden Menschen! Gemeinsam schaffen wir das!“